Unsere Schule hat am diesjährigen Martin-Gauger-Preis zum Thema "Integration" mit der Gestaltung eines Kalenders "Wenn ich groß bin, möchte ich... - Träume unterscheiden uns nicht!" teilgenommen und den 2. Preis gewonnen! Dieser Platz war mit 300 Euro Preisgeld dotiert.
Am 06.12.2013 waren wir daher zur Preisverleihung ins Oberlandesgericht Hamm eingeladen.
Die Auszeichnung übernahm der Justizminister des Landes NRW, Thomas Kutschaty, in Gegenwart zahlreicher Persönlichkeiten aus Justiz und Öffentlichkeit. Für die Familie Dr. Martin Gaugers nahm sein Sohn Gerhard Gauger an der Veranstaltung teil.
Bei einem feierlichen Festakt wurden die Beiträge aller 5 Preisträger vorgestellt - auch unser Kalender.
Den ersten Preis bekam die 5a der Hedwig-Dransfeld-Schule aus Werl mit dem tollen Rap-Song "Mach die Augen auf", in dem es um Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen geht.
Hinfahrt mit Bus und Bahn nach Schulschluss.
Anschließend gab es besonders für die Kinder leckere Stutenkerle, Kinderpunsch und Kakao, die an dem kalten Tag richtig gut taten.
Hier die Hintergründe zum Wettbewerbsbeitrag:
1. Unsere Motive
Wir, die Schüler und Schülerinnen der seit zwei Jahren bestehenden Schule an der Eierkampstraße, besuchen alle eine Förderschule mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“, wie die früheren „Schulen für geistig Behinderte“ heute heißen. Insgesamt 75 Schüler und Schülerinnen besuchen unsere Schule, davon hat gut ein Drittel einen Migrationshintergrund.
Manche von uns sprechen keine Lautsprache, können sich aber mit elektronischen Sprachhilfen (Talkern), Bildkarten und Gebärden verständigen. Manche können noch eine andere Sprache verstehen und sprechen. Wir alle lernen und leben gemeinsam an unserer Schule und verstehen uns gut. Wir machen keine Unterschiede und spüren sie auch nicht.
Alle Menschen haben Träume - als Kinder träumen viele vom Leben als Prinzessin, Krankenschwester, Feuerwehrmann oder Cowboy. Einige Träume lassen sich verwirklichen, andere können ein bisschen abgeändert Realität werden. Den meisten stehen viele verschiedene Lebensentwürfe offen – Wahlfreiheit ist fast jedem Menschen gegeben.
Auch WIR haben Träume - aber wieso ist für alle direkt klar, dass sich UNSERE Träume NIE verwirklichen lassen? Wieso ist unser Weg in der Gesellschaft so eng vorbestimmt?
Wir selbst haben diese Grenzen oft schon im Kopf und brauchen Hilfe dabei, unsere Fähigkeiten zu erkennen und zu entwickeln.
Integration bedeutet für uns, dass wir unsere Möglichkeiten in der Gesellschaft mit den verschiedenen Aspekten unserer Persönlichkeit, zu denen auch Behinderungen und Migrationshintergründe gehören, voll ausschöpfen können. Das heißt auch, dass die Rechte von Menschen mit Behinderung nicht nur auf dem Papier vorhanden sind, sondern in der Praxis effektiv durchgesetzt werden. Dafür muss man in der gesamten Gesellschaft, in NRW und in unserer Stadt Dortmund oftmals noch umdenken und kreative Lösungsansätze entwickeln.
Wenn wir in die Gesellschaft integriert werden wollen, begegnen wir drei Grundproblemen:
- Die Gesellschaft nimmt uns als gestört oder behindert wahr und erkennt unseren Wert und unsere besonderen Fähigkeiten nicht.
- Wir selbst merken oft gar nicht, dass wir vieles nicht so gut können; wenn wir es aber merken, leiden wir sehr darunter. Wir wissen auch gar nicht sicher, was wir besonders gut können.
- Die Gesellschaft achtet nicht darauf, das öffentliche Leben so einzurichten, dass auch Menschen, die nicht so gut lesen können, sich zurechtfinden und behindert uns dadurch zusätzlich.
Was muss geschehen, damit Träume wahr werden?
2. Das Projekt
An dem Projekt „Wenn ich groß bin, möchte ich… - Träume unterscheiden uns nicht“ nehmen vier Schulklassen (U1, U2, U/M, M1) und die SV (Schülervertretung) teil. Insgesamt sind an dem Projekt fast vierzig Schüler und Schülerinnen im Alter von 8 bis 14 Jahren beteiligt. Begleitet wird das Projekt von vier Lehrkräften und unterstützt von der gesamten Schule.
Am Anfang wurde der Begriff „Traum“ mit Hilfe von Bildmaterial so geklärt, dass alle Schüler eine Vorstellung davon entwickeln konnten. Die Schüler erzählten von ihren persönlichen Wunschträumen und erörterten in der Gruppe verschiedene Möglichkeiten, diese darzustellen. Schnell entwickelte sich der Plan zu fotografieren. Bei der Frage, wie wir unsere fotografierten Wünsche in die Öffentlichkeit tragen könnten, entstand die Idee des Kalenders. Ein Kalender hat den Vorzug, aufgehängt und regelmäßig betrachtet zu werden. An einer geeigneten Stelle wird er von vielen Leuten angeschaut und kann Ideen verbreiten.
Nachdem das Ziel, einen Kalender herzustellen, gefunden war, konnte die Arbeit beginnen. Die Schülerinnen und Schüler malten zunächst Bilder von ihren Wunschträumen und überlegten dann gemeinsam mit den Lehrkräften, wo und wie man am besten den Traum im Foto darstellen kann. Einiges wurde zur Schule geholt, z.B. die Polizei, das Auto und das Motorrad. Anderes, wie z.B. die Motive mit der Straßenbahn, dem Stadion oder dem Trecker, konnte man nur außerhalb verwirklichen. Bei manchen Träumen kam man aber auch an Grenzen; das Cockpit eines Flugzeugs zum Beispiel haben wir leider nicht betreten können.
Durch die notwendige Unterstützung bei der Umsetzung der Fotos sind viele gute neue Kontakte von der Schule zum Stadtteil geknüpft worden, die auch bei der Verbreitung des Kalenders vertieft werden können. So kann das Projekt auch zur Verankerung und Vernetzung innerhalb des Stadtteils nachhaltig beitragen.
Zwar haben insgesamt 40 Schülerinnen und Schüler an dem Projekt teilgenommen, aber der Kalender hat nur 12 Seiten, sodass eine Auswahl getroffen werden musste. Dabei wurden zwei Kriterien zugrunde gelegt, zum einen, welcher Schüler bzw. welche Schülerin fotografisch veröffentlicht werden darf, und zum anderen, welche Träume gut in Form eines Fotos dargestellt werden können – gerade auch unter dem Gesichtspunkt, dass keine Profis mit professionellen Kameras am Werk waren. Deshalb haben es Träume wie „Ich möchte Flugzeugkapitän werden“ (ebenso wie Mutter, Astronaut, Topmodel, Superstar, Reiterin, Feuerwehrmann, Autoverkäufer, Taucher, Bundeskanzler oder Prinzessin) nicht bis in den Kalender geschafft. Aber auch diese haben es verdient, geträumt zu werden, und sollen daher hier Erwähnung finden.
Die Kalender-Seiten wurden durch eine Lehrkraft des Projekts mit der Unterstützung einiger Schüler, die auch die Homepage unserer Schule mitgestalten, kreiert. Die anderen Lehrkräfte setzten die Gedanken und Ideen der Schüler gemeinsam mit ihnen in Schriftsprache um. Die SV wird den Verkauf des Kalenders in der erweiterten Schulgemeinde und im Stadtteil Hombruch organisieren. Unter anderem ist geplant, einen kleinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt in Hombruch einzurichten. Von dem Erlös der ersten Exemplare sollen weitere gedruckt werden, die durch die SV im Stadtteil verteilt werden mit der Bitte, das jeweilige Exemplar öffentlich auszuhängen, z.B. in Arztpraxen, Sparkasse oder im Einzelhandel.
3. Unsere Träume
Ich möchte Lehrerin werden.
Sie wird ein Studium nicht bewerkstelligen können, aber mit Kindern kann sie gut umgehen. Wir müssen in unserer Gesellschaft Räume und Arbeitsbereiche schaffen, in denen auch Menschen mit geistiger Behinderung in sozialen Berufen Arbeit finden.
Ich möchte später Auto fahren/Motorrad fahren können, damit ich überall hinfahren kann.
Wenn wir auch Fahrschullehrer für Förderschüler ausbilden und Material entwickeln, welches auch diese Fahrschüler verstehen können, sind viele unserer Schüler und Schülerinnen in der Lage, einen Führerschein (z.B. für Mofa) zu machen und verantwortungsvoll am Straßenverkehr teilzunehmen.
Ich möchte mir später alle Spiele des BVB im Stadion anschauen.
Die Arbeit von Menschen mit Behinderung muss gut entlohnt werden, damit auch er sich eine Eintrittskarte oder Dauerkarte beim BVB leisten kann.
Ich möchte Zugführer werden.
Viele Schüler haben besondere Fähigkeiten und Interessen. Schon heute kennt er alle Linien der Dortmunder Stadtbahn und ihre Fahrzeiten an allen Werk- und Wochentagen. Er wäre ein perfekter Zugbegleiter. Wir wünschen uns, dass die Gesellschaft mehr Arbeitsräume für besondere Menschen auch im Dienstleistungsbereich schafft.
Ich möchte Hausmeister werden.
In handwerklichen Bereichen stehen unserer Schülerschaft schon etwas mehr Arbeitsmöglichkeiten als in anderen Bereichen offen. Aber auch hier braucht es gesicherte Finanzen und geeignete Ausbildungsbetriebe.
Ich möchte Ballerina werden.
Eine (integrative) Tanzgruppe würde durch sie in Bezug auf Lebensfreude, Vitalität und Ausstrahlung enorm gewinnen. Aber geeignete Choreografen müssen ausgebildet und finanziert werden.
Ich möchte Kinderarzt werden.
Dem Traum von einer Arbeit als Arzt könnte vielleicht durch Hilfe im Bereich der Pflege entsprochen werden. Er hätte die Gelegenheit, Feingefühl, Empathie und Humor einzubringen. Er könnte Kranke trösten - auch hier gäbe es vielfältige Möglichkeiten, wenn wir anfingen umzudenken.
Ich möchte Musiker werden.
Dafür braucht er mehr Gelegenheit, Musik zu machen. Geeignete Konzepte liegen vor, aber es fehlen noch integrative Musikangebote oder integrative Bands in der Öffentlichkeit für die oft sehr begabten Menschen mit einer Behinderung.
Ich möchte Polizist werden.
Regeln und Routinen sind wichtig für ihn – als Helfer beim Ordnungsamt, Ordner oder Türsteher könnte er seine Fähigkeiten zum Wohle aller einbringen.
Ich möchte Bauer werden.
Die Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb könnte ihm die Möglichkeit bieten, „ganz oben“ dabei zu sein.
Wir wollen Fußballspieler/ Fußballtrainer werden.
Nirgends wäre Integration leichter als beim Sport, auch hier müssen wir umdenken und Schranken fallen lassen. Hier könnten die Sportverbände auf höherer Ebene wie auch die Vereine auf lokaler Ebene sich mehr für integrative Mannschaften einsetzen. Es könnten Mixed-Ligen entstehen, in denen Wettbewerbe ausgetragen werden können. Auch in den Bereichen des Trainings oder im Aufgabenbereich eines Zeugwart könnten Aufgabengebiete geschaffen werden.
4. Der Kalender
Der Kalender wurde in der Auflage von 130 Exemplaren (mittlerweile wurden nochmals 70 Exemplare nachgedruckt) in einer kleinen Dortmunder Privatdruckerei gedruckt. Vorfinanziert wird der Druck von den Kolleginnen und Kollegen der Schule an der Eierkampstraße. Sollte der Verkauf Ertrag einbringen, wird dieser genutzt, Kalender für Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Der Restbetrag wird dem Förderverein der Schule übergeben.
5. Danksagung
Ausdrücklich möchten wir uns bedanken bei allen, die uns unterstützt haben, die Traumfotos zu verwirklichen.
Hier sei an die Eltern gedacht, die ihre Kinder und die Lehrkräfte unterstützt und bestärkt haben. Besonderer Dank gilt der Polizeiwache Hombruch, dem Biobauernhof „Schultenhof“, den Angestellten der DEW, den Angestellten des Marien-Hospitals und dem Hausmeister und einigen Helferinnen/ Helfern unserer Schule.
Hier die Präsentation zur Preisverleihung.